JANINE TSCHANHENZ

(INTERVIEW + FOTOS VON: JESSICA ZUMPFE)

( FOTOS VON: HIGHLAND PRODUCTION)

Janine stand mit 2,5 Jahren das erste Mal auf Skiern. Sie ist in einem kleinen Dorf im Montafon mitten im Skigebiet aufgewachsen. Sie besuchte eine Schule für professionelle Skifahrer/innen. Bald wurden ihr aber die Regeln und der Lifestyle zu eng. Heute ist sie eher im freien Gelände zu finden. Sie ist 31 Jahre alt, Sozialpädagogin und staatlich geprüfte Skilehrerin. Im Winter trainiert sie ein Youngster-Freeride-Team und gibt dort ihre Leidenschaft für die Berge und den Skisport weiter. Jedes Jahr macht sie bei verschiedenen Medienprojekten mit, wo sie die Freiheit und Schönheit ihrer Abenteuer festhält. Heute lebt sie mit Freunden in einem abgelegenen und verwunschenen Haus im Stubaital. Bisher hat sie es immer geschafft, ihre Träume, Vorstellungen und Ziele umzusetzen..

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"You don’t know, if you don’t go"

Du bist ja schon als Kind auf eine Schule für professionelle Skifahrer/innen gegangen, inwiefern hat dich das geprägt?

Ich habe meine Eltern so lange genervt, bis sie mich auf die Schule geschickt haben. Ich wollte unbedingt Skirennläuferin von Beruf werden. Ich habe dort auf jeden Fall gut Skifahren gelernt, tolle Freundschaften geknüpft, mich viel sportlich in unterschiedlichen Bereichen betätigt, das ist eine gute Basis für viele Sachen, die ich heute mache. Ich habe aber auch gemerkt, dass ich kein Mensch für Wettbewerbe bin – ich setzte mir lieber eigene Ziele, als mich mit anderen Menschen zu vergleichen.

Wann und wieso hast du deine professionelle Karriere als Skifahrerin aufgegeben?

Leider ist die Motivation schon in den ersten Schuljahren gesunken. Ich habe gemerkt, dass alles so eng und so streng war. Es war mir zu viel Druck, ich wollte eher frei und wild unterwegs sein. Ich hab es dann später auch mit Freeride-Wettbewerben ausprobiert und wieder gemerkt, dass der ganze Druck und die begleitende Nervosität einfach nichts für mich sind. Für mich geht es eher um die Community und die schönen Tage am Berg und schon auch persönliche Ziele, bei denen ich einen gewissen Ehrgeiz entwickle 😉

Hattest du beim Skirennen oder Freeriden gewisse Vorbilder? Vielleicht auch Frauen?

Ich hatte und habe weiterhin schon immer Vorbilder, die sind jetzt vielleicht nicht super berühmte Leute, aber zum Beispiel Sportlerinnen, die beeindruckende Lines befahren oder imposante Routen klettern. Das hat schon sehr gepusht und motiviert mich weiterhin sehr.>

Du machst jedes Jahr verschiedene Medienprojekte rund ums Thema Sport und Berge – wie bist du dazu gekommen und was bedeutet das für dich?

Ich glaub, ich war und bin oft die Quotenfrau bei diesen Projekten. *Lacht
Freunde bzw. Bekannte arbeiten immer wieder an unterschiedlichen Projekten und haben mich gefragt, ob ich dabei sein möchte...da freue ich mich natürlich, da es Spaß macht mit dabei zu sein!
Dieses Jahr wollten wir ein persönliches Herzensprojekt in den griechischen Bergen umsetzen, allerdings ist das wegen Corona erstmal pausiert. Ich war schon häufig dort, und ich glaub, dass die Menschen und die Kultur dort besonders sind und das Gebirge sehr viel zu bieten hat und noch relativ unentdeckt ist mit den Skiern!

Rückblickend – inwiefern hat dich das Draußensein und die gemeinsame Aktivität geprägt?

Wir sind auf 1500m in einem Hotel mitten im Skigebiet aufgewachsen, welches im Winter ausschließlich mit einem Skilift erreichbar ist. Mein Papa war selber viel in den Bergen – ist Snowboardführer und hat einen eigenen Klettergarten gebaut – daher kommt auch meine Leidenschaft fürs Klettern. Mir blieb quasi nichts anderes übrig, und ich hab’s lieben gelernt.
Von meiner Mama hab ich eher das Abenteuerliche. Ich hab schon als Kind die Fotos ihrer Abenteuer bewundert – wo sie z.B. zwischen Einheimischen in Jamaika steht, das war damals ja wirklich nicht so normal. Das Reisen ist auch eine große Leidenschaft von mir – ich halte es grade mal 1 , 2, vielleicht 3 Jahre aus, bevor ich ausbrechen muss und ein neues Abenteuer erleben möchte. Am Anfang hatten die nicht immer etwas mit Sport zu tun, aber mittlerweile wähle ich den Ort meiner Reise nach sportlichen Highlights aus.

Was ist dein eindrücklichstes Outdoor Erlebnis?

Unsere Reise von Alaska nach Mexiko war auf jeden Fall eins meiner eindrücklichsten Erlebnisse. Ein Roadtrip, der mit Skifahren in Alaska begonnen hat, ging weiter mit Klettern in Kanada und den Staaten und wurde mit Surfen in Mexiko beendet – was für ein Luxustrip! Wir haben uns einen kleinen Minivan gekauft, diesen spartanisch ausgebaut und sind ziemlich ohne Plan und mit einer positiven Einstellung in ein wunderbares Abenteuer mit super Bekanntschaften, Lines, Naturerlebnissen & Wellen gestartet. Wenn ich daran denke, würde ich grad am liebsten sofort wieder los starten 🙂

"Für mich geht es eher um die Community und die schönen Tage am Berg und schon auch persönliche Ziele bei denen ich einen gewissen Ehrgeiz entwickle"

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Das Skifahren scheint ja ein großer Teil deines Lebens zu sein – gibt es einen Grund, weshalb du dich entschieden hast, es nicht hauptberuflich zu machen – auch abseits der Rennen? Und kannst du es auch in andere Bereiche deines Lebens einbringen?

Ich möchte das Skifahren nicht hauptberuflich machen, weil ich mein Hobby gerne vom Beruf trennen möchte und ich meinen Job als Jugendarbeiterin sehr gerne hab. Aber das Skifahren ist auf jeden Fall ein Mittelpunkt in meinem Leben. Im Winter dreht sich alles darum und jeder Tag ist danach ausgerichtet – es macht mich einfach zufrieden!
Die unterschiedlichen sportlichen Aktivitäten kann ich auch sehr gut in meinem Beruf nutzen – ich finde es super, wie man Sport und die soziale Arbeit verbinden kann. Gewisse Erlebnisse sind einfach prägend, und die möchte ich auch gerne weitergeben.

Deine Leidenschaft ist also das Skifahren – gibt es auch etwas abseits davon, was dich begeistert/erfüllt?

Der Garten! Es ist sehr schön, hier im Haus das Beet zu pflegen und frisches, selbst angebautes Gemüse zu ernten – das ist ein super Ausgleich zum Sport.

Auf was bist du am meisten stolz? Was würdest du in deinem Leben als größten persönlichen Erfolg bezeichnen?

Ich finde, das sind oft Momentaufnahmen. Ich setzte mir häufig neue Ziele und habe dann immer wieder neue persönliche Erfolge, die mich freuen. Die sind vielleicht für andere nichts Besonderes, aber es sind meine eigenen Highlights – zum Beispiel irgendeine coole Skiabfahrt oder eine spezielle Klettertour.
Ich mag mich jetzt nicht auf DEN größten Erfolg festnageln lassen – ich habe eigentlich jeden Winter und jeden Sommer Highlights und das sind dann in dem Moment meine größten Erfolge.

Wo ist dein „Happy Place“?

Das ist auch etwas, was bei mir ständig in Bewegung ist. Momentan habe ich sehr starkes Fernweh und richtig Lust auf Abwechslung. Also würde ich sagen, dass momentan mein Happy Place in Mexiko eine Insel wäre, die heißt Chacahua– das ist das ultimative Surfparadies.

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Du arbeitest auch bei Exploristas. Was genau machst du, und wie bist du dazu gekommen?

Mein Anteil bei Exploristas ist, dass ich die Kurse organisiere – Skikurse, Kletterkurse, Bikekurse. Gemeinsam mit den Guides organisieren wir coole Events. Ich bin dazu gekommen, weil ich die Gründerin Regina kenne...

Du hast bereits in Pakistan für Women Empowerment gearbeitet – was genau hast du da gemacht, und wie unterscheidet sich das Projekt von Womens Empowerment in Österreich?

Women Empowerment findet in Pakistan auf einem ganz anderen Level statt. Du merkst es schon im Flieger – es gibt keine Stewardessen, sondern nur Stewards. Bei der Ankunft musste ich noch einen ganzen Tag zu meinem Zielort reisen und hab auf dem Weg keine einzige Frau gesehen. Ich war immer in Männerkreisen und hab Frauen nur gesehen, wenn die uns bedient haben. Hilfsangebote gelten dort als total unhöflich, also bin ich vorerst eigentlich kaum mit den Frauen in Kontakt gekommen. Der Ort war die Heimat von Samina Baig, der ersten muslimischen Frau, die alle Seven Summits bestiegen hat. Sie hat damit dort ein ganz schönes Statement gesetzt. Man muss wieder dazu sagen, dass sie von den Männern in ihrer Familie viel unterstützt wurde, ansonsten wäre es für sie wahrscheinlich nicht möglich gewesen. Aber sie hat damit viele Kinder und Frauen (und deren Brüder, Männer und Väter) motiviert und inspiriert. Wir haben dort einen Skikurs auf über 4000m organisiert, wo wir über 10 Tage in einem Base Camp, quasi einem Ziegenstall gewohnt haben. Es ging nicht wirklich darum, dass sie super gut Skifahren lernen, aber alleine die Tatsache, dass die Männer sie da hochgeschickt haben, zeigt schon ein gewisses Umdenken. Da ist dann plötzlich der Gedanke erlaubt: Wenn Samina so etwas erreicht hat, vielleicht kann meine Tochter/Schwester/Frau ja auch etwas erreichen. Das fand ich ziemlich beeindruckend, wie eine einzige Frau so viel bewegen konnte.

Wie siehst du die Frauenszene im Freeriden?

Ich glaub schon, dass die Frauenszene beim Freeriden immer größer wird. Im Montafon sowie in der Innsbrucker Gegend ist die Frauenszene bereits groß und wächst weiterhin.

Aber wenn ich mir zum Beispiel vornehme, eine Steilwand zu fahren, dann finde ich echt nicht mehr viele Frauen, die mitmachen, das ist echt schade! Ich weiß nicht genau, woran es liegt – ich denke, der Zugang ist oft schwierig – Wie gehe ich so etwas an? Wo kann ich das lernen? Auch ich kenne diese Hürden nur zu gut...

Nehmen wir mal als Beispiel das Alpinklettern – ich habe wenig Leute gekannt, die das gemacht haben und keine Frauen. Ich wollte das aber unbedingt machen und hab einen Freund so lange genervt, bis er mich mitgenommen hat. Dann hab ich mir das Zeug gekauft, und hab es einfach gemacht. Ich hab 100 Mal Glück gehabt, und mittlerweile kann ich es ein bisschen und habe auch eine kleine feine Community aufgebaut. Ich glaube, das könnte jede Frau machen, wenn sie will, aber es ist natürlich auch manchmal mühsam – deshalb finde ich Exploristas super, da finden sich Gleichgesinnte, es gib die Möglichkeit Neues auszuprobieren und zu lernen!

Was bedeutet Women’s Empowerment für dich?

Ich finde Sichtbarkeit sehr wichtig – es ist motivierend zu sehen, was alles möglich ist. Ich finde, dass eine Vorbildfunktion wie bei Samira sehr viel bewirken kann – wenn ich sehe, dass andere Frauen das schaffen, kommt mir vielleicht erstmals die Idee, dass ich sowas auch machen könnte.
Communities find ich auch wichtig – es ist schön, wenn sich Gleichgesinnte am Berg treffen und gemeinsam an ihren „Missions“ arbeiten und die schönen Bergmomente und Erfolge teilen können...

Und was macht es für einen Unterschied ob diese Leute Frauen oder Männer sind?

Ich mach viel mit Männern, aber gewisse Sachen sind schon anders wenn man in Frauenteams unterwegs ist. Ich bin letztes Jahr mit einer Freundin eine für uns schwierige Route geklettert. Wir waren beide sehr nervös und hatten zum Glück die Möglichkeit das auch zum Ausdruck zu bringen...Ich denke das die Kommunikation unter Mädels im Bezug auf „Ich habe Angst“ sehr gut funktioniert und man sich in dem Fall sehr gut in die Partnerin hineinversetzten kann. Auch spezielle Frauenthemen spreche ich bei meinen männlichen Bergpartnern eher selten an, spielen aber natürlich auch eine Rolle in der aktuellen Tagesverfassung.

Was macht es für dich aus, wenn du in einer reinen Frauengruppe unterwegs bist?

Ich war jetzt 2-3 Mal auf Events von Exploristas,und was mir da wirklich aufgefallen ist, sind die guten Vibes. Das gegenseitige Unterstützen spürt man extrem, dafür wenig Konkurrenzkampf. Kürzlich habe ich am Klettercoaching mit Sofia Muigg teilgenommen – es war sehr cool zu sehen, wie sich die Mädels gegenseitig anfeuern und sich für die anderen mitfreuen.

Was möchtest du selbst als Vorbild kommenden Exploristas mitgeben können?

Ich habe ein Buch gelesen von einem Pionier im Steilwandskifahren, Doug Coombs, der gesagt hat: „ You don’t know, if you don’t go“. Das finde ich eine super Philosophie.>