SABINE SCHIPFLINGER

(INTERVIEW + INDOOR FOTOS VON: JULIA KOCH)

Sabine ist in Viehhofen (nähe Saalbach) aufgewachsen. Schon als Kleinkind auf den Skiern, hat sie dennoch erst Mitte Zwanzig das Freeriden entdeckt und ist seither abseits der Pisten unterwegs. Die schneefreien Jahreszeiten verbringt sie dann mit dem Mountainbike am Berg auf Trails und im Bikepark. Die Salzburgerin studiert derzeit Sportwissenschaften in Innsbruck und gibt ihre sportliche Leidenschaft beim Guiden und Unterrichten an Andere weiter - sowohl auf Skiern als auch auf dem Moutainbike.

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"Ich bin einfach happy, wenn ich meine Erfahrungen und meine Leidenschaften mit anderen Mädels und Frauen teilen kann."

WIR TREFFEN UNS HEUTE IN INNSBRUCK, WO DU DEIN STUDIUM ABSOLVIERST UND GERADE AN DEINER MASTERARBEIT SCHREIBST. WAS IST DENN DAS THEMA, DAS DU ERARBEITEST?

Ich untersuche und schreibe über den Zusammenhang von sportlicher Betätigung, konkret dem Klettern, und dem Wohlbefinden von Kindern aus der Kinderpsychiatrie. Dasselbe wird im Bereich Ergotherapie untersucht. Die Tendenz ist definitiv so, dass die Bewegung das Wohlbefinden steigert, aber es muss noch mit mehr ProbandInnen und über einen längeren Zeitraum geforscht werden. Spannende Sache.

DU BIST NAHE EINES SKIGEBIETS AUFGEWACHSEN UND HAST SCHON ALS KIND MIT DEM SKIFAHREN ANGEFANGEN. WAREN DEINE ELTERN DIE TREIBENDE KRAFT DAHINTER?

Die Motivation kam schon von mir. Mein Papa ist allerdings auch ein leidenschaftlicher Skifahrer und hat mich beim Skifahren immer unterstützt. Bei uns in Viehhofen gibt es außerdem einen Skiverein, in den ich als Kind schon ging. So bin ich beim Kindercup und anderen Rennen mitgefahren und später in die Skihauptschule gegangen. Meine zwei Geschwister haben aber jeweils andere Wege verfolgt.

 

DU BIST IN DEINER JUGEND VIELE RENNEN GEFAHREN UND HAST MIT FÜNFZEHN AUFGEHÖRT. WARUM?

Nach der Hauptschule stand ich vor der Entscheidung ins Skigymnasium nach Saalfelden zu wechseln, habe mich aber dagegen entschieden. Ich hatte zu diesem Zeitpunkt einfach die Nase voll vom Skifahren und habe mich eine Zeit lang gar nicht mehr dafür interessiert. Ich habe mich für die HBLA entschieden, weil ich dort eine umfassendere Ausbildung bekommen habe, die auch auf das Gastgewerbe und den Tourismus vorbereitet hat. Wäre ich auf’s Sportgymnasium gegangen, hätte ich danach zwangsläufig noch studieren müssen. Und damals dachte ich erstens nicht, dass der Sport mein Beruf werden würde und zweitens wollte ich eigentlich auch nicht studieren. Meine jugendliche Vorstellung war, ich würde in den Tourismusbereich gehen, bald mal Kinder kriegen, heiraten und Hausbauen. Richtiges Landkind halt. Aber es hat sich dann einfach anders entwickelt, worüber ich froh bin. (lacht)

IN DEN FOLGENDEN JAHREN HAST DU DIE SKILEHRERAUSBILDUNG GEMACHT UND MIT FÜNFUNDZWANZIG BEREITS DIE STAATLICHE SKILEHRERPRÜFUNG BESTANDEN.

Richtig, und inzwischen habe ich auch die Skiführerausbildung gemacht und bin als Guide und als Ausbildnerin im Salzburger Skilehrerverband tätig. Ich bin als Guide sowohl in Skicamps als auch in Bikecamps tätig. Heuer habe ich außerdem zum ersten Mal bei einem Bikecamp für Jugendliche gearbeitet - auch eine neue Erfahrung für mich. Hundertzwanzig Jugendliche zwischen zehn und sechzehn. Darunter zehn Mädels und der Rest nur Buben. Aber wenigstens werden es immer mehr Mädels am Bike.

WANN HAST DU ANGEFANGEN, AN FREERIDE WETTBEWERBEN TEILZUNEHMEN?

Eine Kollegin, die schon ein paar Freeride Contests gefahren war, hat mich gefragt, ob mich das nicht auch interessieren würde. Ich war damals sechsundzwanzig und bis dahin noch nicht so viel im Gelände unterwegs gewesen. Skitouren hatte ich schon gemacht, aber Freeriden noch nicht wirklich. Ich habe also einfach spaßeshalber mal teilgenommen. Mein erster Contest war in der Schweiz. Damals gab es ja bei uns in Österreich noch gar keine Freeride Contests, da musste man noch nach Frankreich, in die Slowakei, nach Slowenien und eben in die Schweiz dafür fahren. Und da der Boom des Freeridens noch nicht so groß war und auch noch nicht so viele Mädels daran teilgenommen haben, war es einfacher als heute reinzukommen. Ich bin sofort in einem Vier-Stern-Contest gefahren und das lief ganz gut. Dadurch angespornt habe ich weitergemacht. Außerdem hat mir das Drumherum total getaugt. Man lernt so viele Leute kennen, die von überall her zusammenkommen - Neuseeland, Südamerika usw.;  wir waren eine riesige Gemeinschaft, die sich zu den diversen Contests regelmäßig getroffen hat.

SEITHER BIST DU SEHR VIELE FREERIDE WORLDTOUR QUALIFIERS GEFAHREN. RÜCKBLICKEND, WELCHES WAREN DENN DEINE PERSÖNLICHEN GRÖßTEN ERFOLGE? WORAN DENKST DU BESONDERS GERNE ZURÜCK?

Eigentlich empfinde ich die Freundschaften, die ich geschlossen habe, als größten Erfolg; Teil der Gemeinschaft zu sein, die wie eine große Familie ist, die sich immer gegenseitig unterstützt und hilft. Das Contest-Fahren selber ist auch cool und ich stelle mich gerne Herausforderungen, aber in den letzten Jahren kam es auch immer häufiger vor, dass ich mich beim Start dann fragte, warum ich mir das eigentlich antue. Meistens sind die Bedingungen bei den Abfahrten ja nicht ideal - Wetter, Schnee oder Startzeit - und dann bin ich doch meistens sehr nervös. Ganz selten ist alles perfekt und der Schnee super. Aber die Gemeinschaft hat mich so lange gehalten. Die Atmosphäre bei den Contests und das nette Miteinander, das war es,  was mich immer motiviert hat.

 

"Ich empfinde die Freundschaften, die ich geschlossen habe, als größten Erfolg; Teil der Gemeinschaft zu sein, die wie eine große Familie ist, die sich immer gegenseitig unterstützt und hilft."

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ABGESEHEN VOM WETTBEWERB, WAS IST DENN FÜR DICH DAS REIZVOLLE UND SCHÖNE AM FREERIDEN?

Ich bin einfach unheimlich gerne mit Kollegen und Kolleginnen am Berg unterwegs, die dieselbe Leidenschaft teilen. Da ist es dann gar nicht zwingend nötig, dass der Schnee gut ist. Viel wichtiger und wertvoller sind die miteinander erlebten Momente am Berg. Und ich mag die Herausforderung, dass jeder Tag am Berg anders ist. Schneeverhältnisse, Wetter und Geländebegebenheiten verändern sich und bleiben nie dieselben. Man muss sich immer wieder auf’s Neue darauf einstellen und lernt jedes Mal was dazu.

WIE UND WANN HAST DU DANN DAS MOUNTAINBIKE ENTDECKT?

Das Mountainbike hab ich als Sommerjob angefangen. Mit einer Freundin gemeinsam habe ich dann das Downhillfahren entdeckt. Ich fahre zwar sehr gerne rauf, aber runter dann eben auch, solange der Weg ein Trail ist. Nur Schotterstraßen fahr ich nicht gern runter. Trails oder Bike Parks - das taugt mir.

BEIDE SPORTARTEN SIND JA NICHT UNGEFÄHRLICH. WIE GEHST DU MIT DEM RISIKO DER VERLETZUNG UM?

Beim Freeriden hat man mehr äußere Faktoren, die gefährlich sind, wie zum Beispiel Lawinen. Die fallen beim Mountainbike weg, wodurch besonders das Mountainbike-Guiden etwas entspannter ist. Beim Ski-Guiden muss ich viel mehr beachten: wie ist das Wetter? Passen die Schneeverhältnisse? Wie steil ist die Abfahrt? Andererseits ist das Stürzen im Schnee meist weniger schmerzhaft. Wenn man vom Radl stürzt, kann das tendenziell blöder sein. Es hat mich schon ein paar Mal erwischt. Einmal habe ich mir ein paar Wirbel gebrochen, was noch viel schlimmer ausgehen hätte können, als es ausgegangen ist. Es war auch so schon schlimm, aber den Umständen entsprechend hatte ich viel Glück und bin heute sehr dankbar, dass ich immer noch das tun kann, was ich tun will. Ich habe die Gesundheit sehr schätzen gelernt. Meine Mama würde sich zwar freuen, wenn ich den Extrem-Sport endlich aufgebe, aber mir macht es einfach zu viel Spaß.

WELCHE DEINER PERSÖNLICHEN QUALITÄTEN TRAGEN AM MEISTEN ZU DEINEM SPORTLICHEN ERFOLG BEI?

Ich habe den sportlichen Erfolg eigentlich nie in dieser Form angestrebt. Ich hatte und habe einfach Spaß am Skifahren und am Mountainbike. Ich unterrichte und erkläre auch gern. Wenn einer Schülerin oder einem Schüler was gelingt, freut mich das auch sehr. Ich gebe den Spaß, den ich hab, einfach gerne weiter. Meiner Leidenschaft nachzugehen und damit auch noch mein Geld verdienen zu können, ist ein großes Glück. Ich hätte es mir nicht besser aussuchen können.

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"Frauen machen sich oft kleiner als sie sind und Männer stellen sich oft eher besser dar, obwohl die Kompetenzen in beiden Gruppen dieselben sind."

DU WARST UNLÄNGST AUCH MIT DEM BIKE IN ISRAEL. WELCHE ERFAHRUNGEN HAST DU MIT NACHHAUSE GENOMMEN?

Ich bin viel und gerne in den Bergen unterwegs, aber ich wollte dieses Jahr was anderes kennenlernen. Ich war in den letzten Jahren mal Guide für eine Gruppe Israelis, deren Mentalität mir sehr gefallen hat. So haben sich zwei Freundinnen und ich für Israel entschieden. Und das war eine super Erfahrung! Das Land ist total spannend - der Norden ist mediterran und im Süden ist Wüste - und die Leute sind supernett. Wir haben auf einem Bikefestival unglaublich viele Mountainbiker kennengelernt; hauptsächlich Männer, weil es dort noch nicht so viele Bikerinnen gibt wie bei uns. Wir waren für sie also recht exotisch. Eine wirklich sehr empfehlenswerte Reise! Wir hätten uns im Vorfeld nie vorstellen können, dass es so cool werden würde.

WELCHE ERFAHRUNGEN HAST DU MIT ALL-FETALE GRUPPEN GEMACHT?

Ich Guido manchmal Männergruppen und manchmal Frauengruppen und ich empfinde definitiv einen Unterschied als Guide. Frauen machen sich oft kleiner als sie sind und Männer stellen sich oft eher besser dar, obwohl die Kompetenzen in beiden Gruppen dieselben sind. Männer geben nie zu, wenn sie an ihre Grenzen kommen. Man merkt es dann zwar, aber sie würden das nie von sich aus feststellen. Frauen sagen ganz einfach, wenn ihnen etwas zu schwierig oder gefährlich ist.

GIBT ES DENN AUCH HERAUSFORDERUNGEN IN EINEM REINEN FRAUENCAMP?

Puh… Hamm… wir brauchen vielleicht manchmal länger, bis wir unser ganzes Zeug beisammen haben, aber sonst… nein, fällt mir jetzt nichts ein. Meine Erfahrungen in all-fetale Camps waren eigentlich immer total cool. (lacht)

BEI DEN EXPLORISTAS GEHT ES UM WOMENS EMPOWERMENT IM SPORT. WARUM BRAUCHEN WIR DAS?

Ich glaube, es ist wichtig, dass Frauen lernen, sich mehr zuzutrauen. Wir haben uns auf sportlicher Ebene viel zu lange zurückgehalten. Gerade unlängst haben wir uns außerdem im Skilehrer-Ausbildungsteam über die Gehaltsdifferenz zwischen Männern und Frauen unterhalten und festgestellt, dass wir als Skilehrer Innen, Ausbilderinnen und Guides vorbildlich das gleiche Gehalt bekommen - so wie es sein sollte. Man wird für die gleiche Arbeit bezahlt, die man leistet, und es wird nicht nach Geschlecht unterschieden. So sollte es überall sein.

 

"Meiner Leidenschaft nachzugehen und damit auch noch mein Geld verdienen zu können, ist ein großes Glück. Ich hätte es mir nicht besser aussuchen können."

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WIE KANNST DU PERSÖNLICH WOGENS EMPOWERMENT BRAUCHEN?

Ich bin einfach happy, wenn ich meine Erfahrungen und meine Leidenschaften mit anderen Mädels und Frauen teilen kann. Ich bin auch gern mit Burschen unterwegs, aber es ist einfach was anderes mit Frauen - man ist sich ähnlich und kann vielleicht noch mehr miteinander teilen.

WAS MÖCHTEST DU SELBST ALS VORBILD KOMMENDEN EXPLORISTAS MITGEBEN KÖNNEN?

HAST DU EIN MOTTO, DAS DICH IM SPORT UND DURCH’S LEBEN BEGLEITET?

Ich denke, wenn man im Leben stehen bleibt, entwickelt man sich nicht weiter. Es kommt dann eher zu einem Rückschritt als zum Fortschritt. Am treffendsten formuliert das der Satz „Life is like riding a bicycle – to keep your balance you must keep moving.“ 

Steckt nicht zurück! Traut es euch zu! Männer sagen oft: „Fahr einfach! Das ist nicht schwer!“ - aber wenn sie dann stürzen, ist das Selbstbewusstsein bei Mädels oft weg und sie probieren es nicht nochmal. Mein Job als Guide war oft eher der eines Mentalcoaches - es geht meist darum, Selbstbewusstsein (wieder) aufzubauen und zu stärken. Und es ist so schön zu sehen, wenn der Zuspruch und die Erklärungen erfolgreich sind und die Mädels sich wieder trauen. Es braucht einen speziellen Zugang, einen feinfühligen.  Besonders bei Frauen, die relativ neu im Bike- oder Freeride-Sport sind.