ULI HÖLZL

(INTERVIEW + FOTOS VON: JULIA KOCH)

Uli hat als Fünfzehnjährige mit dem Snowboarden und Windsurfen begonnen und wenige Jahre später an ersten Snowboard-Wettbewerben teilgenommen. Viele Jahre an der Snowboard-Weltspitze platziert, war sie u.a. Europameisterin in der Halfpipe und Olympiateilnehmerin 1998. Nach einer langwierigen Verletzung hat sich Ulis Fokus Anfang der 2000er vom Snowboarden auf das Windsurfen verlagert. Die heutige Vize-Europameisterin folgt nicht nur den Wettbewerben, sondern auch ihrer Abenteuerlust rund um die Welt. Parallel zu ihrer Sportkarriere hat die Oberösterreicherin Pharmazie und Medizin studiert und abgeschlossen und arbeitet flexibel als Vertretungsärztin in der Allgemein-, Sport- und Notfallmedizin.

ULI HÖLZL | Exploristas

 

"Durch die fehlende Gemeinschaft unter Frauen, schließen sich diejenigen, die besonders gut sind, oft Männergruppen an. Ich denke also, es ist nötig, dass wir Frauen uns gegenseitig mehr unterstützen sollten - sei es im Sport, im Beruf oder in der Familie."

DU WARST ALS KIND UND JUGENDLICHE SCHON SEHR SPORTLICH. LEICHTATHLETIK, SKIFAHREN, LEISTUNGSTURNEN - WAS HAT DICH DENN DAMALS ZUM SPORT GEZOGEN?

Ich hatte als Kind einen unglaublichen Bewegungsdrang. Meine Mutter hat mich darin unterstützt, indem sie mich überall hingefahren hat - dadurch konnte ich meine Sportlichkeit ausleben. Beim Skifahren und Windsurfen spielt natürlich die Liebe zur Natur eine wesentliche Rolle - ich war und bin einfach gerne draußen und bewege mich in der Natur. Dazu kommt sich auch ein gewisser Ehrgeiz. Die meisten Kinder hören auf, wenn es anfängt weh zu tun, aber ich habe nie aufgehört. Man könnte da also auch einen gewissen Leistungsdrang interpretieren.

HATTEST DU IN DIESER ZEIT SPORTLICHE VORBILDER?

In der Familie nicht. In meiner Umgebung im Hinblick auf den Erfolg im Wettkampf auch nicht. Als jugendliche Windsurferin waren die damaligen Weltmeister meine Idole. Ihre Fähigkeiten am Wasser schienen mir als Binnenländerin unfassbar weit weg. Aber genau das wollte ich auch können.

Am meisten hat mich allerdings das Glück geprägt, dass Michael Koblmüller, der Sohn einer der größten Alpinschulen Österreichs, mein Klassenkollege im Gymnasium war. Er war für mich der beste Freund und Gefährte. Seine Eltern waren Bergführer und beeindruckten mich mit ihrer unkonventionellen Lebensweise, ihren Expeditionen von der Wüste bis zu vielen Achttausendern der Welt. Vielleicht war diese Familie so etwas wie ein Vorbild für mich. Sie wurden quasi zu meiner Lieblings-Ersatzfamilie, mit der ich viel Zeit verbrachte. Dadurch hatte ich die Möglichkeit schon mit zwölf Jahren Skitouren zu gehen und leichte alpine Routen zu klettern. Zum Glück bremsten unsere Eltern den jugendlichen Freiheitsdrang nicht und so waren Michi und ich mit vierzehn Jahren schon oft schon alleine unterwegs. Diese Zeit hat mich sicher viel gelehrt und mir gezeigt, wie man sich in den Bergen bewegt. Mit fünfundzwanzig verlor Michael als Bergführer bei einer Siebentausender-Expedition in Pakistan tragischerweise sein Leben unter einer Lawine. Ich vermisse ihn noch immer...

DU WARST ALS JUGENDLICHE SCHON SEHR ERFOLGKEICH UND HAST MIT NEINZEH INTERNATIONALE VERTRÄGE ABGESCHLOSSEN. WAS HAT DIR DAS DAMALS BEDEUTET?

In dieser Zeit war ich mit einer Freundin gemeinsam unterwegs. Wir haben in der letzten Klasse des Gymnasiums sehr erfolgreich an der Austria Cup Serie teilgenommen. Es folgte die Qualifikation für die Jungend-WM und eine internationale Wildcard. Im Jahr darauf begann ich wegen der Nähe zu den Bergen und den Trainingsmöglichkeiten in Innsbruck zu studieren und die ersten internationalen Rennen bei der ISF (Anm: International Snowboard Federation) zu fahren. Für mich war das der Ausbruch von Zuhause, der Aufbruch in was Neues. Ein wenig geprägt vielleicht auch von meinem damaligen Revoluzzer-Drang.

Diese Zeit hätte sicherlich wunderschön und aufregend sein können, aber der Tod meines Vaters im Dezember des ersten Studien- und Profijahres überschattete Vieles und nahm mir Großteils die spielerische und sorglose Leichtigkeit.

DU WARST ALLERDINGS NICHT NUR EINE REBELLISCHE JUGENDLICHE, SONDERN EINE SERH TALENTIERTE UND ERFOLGREICHE SPORTLERIN. WAR DAS FÜR DICH NICHT AUFREGEND?

Wenn ich heute zurückschaue und mich als 19-jährige Jugendliche sehe, die völlig auf sich allein gestellt und in Selbstorganisation als Leistungssportlerin um die Welt gedüst ist – dann ja, auf jeden Fall aufregend. Aber damals hab ich das als völlig normal wahrgenommen. Vielleicht hatte ich in diesem intensiven Lauf auch einfach keine Zeit nachzudenken. Das Snowboarden steckte damals in den Anfängen. Die Sportart war noch nicht da, wo sie heute ist. Im Wettkampf war man in den Anfängen völlig auf sich alleine gestellt. Wir hatten zu Beginn nicht  einmal einen Trainer. Damals fuhren alle guten FahrerInnen bei der World Tour der „International Snowboard Federation“. Die ISF und der dazugehörende Nationale Verband, die „Austrian Snowboard Association“,  wurden nicht von Bund oder Land unterstützt. Ich habe nie – nicht einmal für die Teilnahme bei den Olympischen Spielen –  auch nur einen Cent von Österreich bekommen. Wir alle haben uns selbst organisiert: Sponsoringverträge mit Firmen, Medienarbeit, Zusammenarbeit mit Fotografen, Trainingsmöglichkeiten, also Halfpipes, die wir europaweit gesucht, besucht und selbst geshaped haben, bis zur Organisation und Planung jeder Reise. Ab 1996 haben sich einige befreundete internationale Fahrer und ich zusammengetan und uns eigenständig und unabhängig einen Trainer gebucht. Das alles war nicht immer leicht, aber es hat mich unglaublich viel gelehrt. Ich musste meine Schüchternheit überwinden und auf Menschen zugehen.

WELCHES SIND DIR DIE WICHTIGSTEN ERFOLGE DEINER SNOWBOARDKARRIERE DIESER ZEIT?

Der Europameister-Titel, den ich mit einundzwanzig geholt habe. Und die zwei Weltcups, die ich im selben Jahr gewonnen habe. Ich war dann später zwar auch bei Olympia, aber an diese Zeit erinnere ich mich eher mit gemischten Gefühlen zurück. Damals habe ich zum ersten Mal Einblick in den ÖSV bekommen und gesehen, wie viel politische Taktik angewandt wird. Die ISF und die FIS waren zu dieser Zeit seit langem im Zwist. Niemand von den FahrerInnen wollte zur altmodischen und autoritären FIS wechseln. Lange wurde versucht, die Olympiaqualifikation über die ISF auszufahren, aber besonders in Österreich war das schwierig, da der ÖSV so stark war. Letztendlich zählten nur die Ergebnisse der FIS-Rennen zur Bestimmung und Vergabe der Startplätze. Die einen erfuhren dies früher, die anderen später. Ich später. Ich musste einen Monat vor Olympia noch zwei Top-3-Plätze bei FIS Worldcups einfahren. Das gelang mir zwar, aber ich war fertig mit den Nerven.

DU HAST PARALLEL ZUM SPORT PHARMAZIE UND SPÄTER MEDIZIN IN INNSBRUCK STUDIERT. WIE KAM ES ZU DIESER ENTSCHEIDUNG?

Ich wollte immer in die Sportmedizin. In Innsbruck gab es einen Zweig, der „Sport mit Prävention“ hieß, der hat mich an die Uni geführt. Allerdings ist mein Vater genau in dieser Zeit gestorben. Meine Eltern waren beide Pharmazeuten und führten eine Apotheke. Die Konzession hielt mein Vater. Allerdings waren meine Eltern nicht verheiratet und so kämpfte meine Mutter nach dem Tod meines Vaters Jahre lang darum, die Apotheke weiterführen zu dürfen und die Konzession zu bekommen. Es wurde fäschlicherweise behauptet, dass meine Mutter größere Chancen hätte, die Konzession zu bekommen, wenn später ein familiärer Nachfolger da wäre. Somit hat es zu diesem Zeitpunkt für mich mehr Sinn gemacht bzw. wurde ich indirekt gezwungen, Pharmazie zu studieren. Ich bin damit aber nie wirklich glücklich geworden und habe mich schlussendlich entschieden, doch noch Medizin zu studieren, was mich einfach mehr interessiert hat. Leicht war’s nicht, ein ewiges Kopf-Karussell und Zweifel, ob ich das Richtige mache. Aber ich hab’s schlussendlich geschafft, beide Studien parallel abzuschließen.

"Für ich war die Snowboard-Karriere der Ausbruch von zu Hause, der Aufbruch in etwas Neues. Ein wenig geprägt vielleicht auch von meinem damaligen Revoluzzer-Drang."

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IM JAHR 2000 HAST DU DICH VERLETZT UND MUEESTEST DEINE SNOWBOARD-KARRIERE BEENDEN. WIE BIST DU MIT DEM UNGEPLANTEN ENDE DIESER KARRIERE UMGEGANGEN?

Das Ende der Snowboard-Karriere an sich war eigentlich keine Belastung. Eher im Gegenteil. Das Windsurfen war ohnehin schon immer eine noch größere Leidenschaft. Ich hatte das Snowboardtraining immer wieder ein wenig vernachlässigt, weil ich im Sommer regelmäßig zum Windsurfen verreist bin. Der Wunsch, das Medizinstudium endlich zu beginnen, meldete sich auch lauter. Den Gedanken, die Snowboard-Karriere zu beenden, habe ich also schon länger mit mir herumgetragen. Ich hätte es aber ohne die Verletzung wahrscheinlich nicht geschafft aufzuhören, denn zu der Zeit begann ich auch erfolgreich im Boardercross-Weltcup zu fahren und bekam mein eigenes Promodell bei ELAN, das ich vermarkten wollte. Was mich allerdings sehr belastete, war die Schwere der Knieverletzung (Unhappy Triad-Verletzung von Kreuzband, Seitenband und Innenmeniskus), die ich mir zuzog, und die verpatzte erste Operation, auf die eineinhalb Jahre später gleich eine zweite OP folgte. An Freestyle-Snowboarden war da nicht mehr zu denken. Wenn etwas so klar nicht mehr möglich ist, verschwendet man auch keinen Gedanken mehr daran. Die Teilnahme an Wettkämpfen fehlte mir also nicht. Dennoch leide ich unter der Tatsache, nicht mehr auf meinem höchsten Niveau snowboarden und springen zu können. Seit dem Unfall verbringe ich beim Sport keinen Tag mehr ohne Angst. Wenn ich heute am Berg unterwegs bin, dann mit mehr Vorsicht.

Das Windsurfen, vor allem im Wave-Bereich, war zum Glück trotz der zurückliegenden Knieverletzungen nach zwei Jahren wieder möglich, wenn auch nicht mehr mit meiner früheren Unbeschwertheit. Und so rutschte ich doch wieder in einen Wettkampfsport hinein – angetrieben vor allem durch die Reiselust und die entstehenden Freundschaften.

GUT ZEHN JAHRE SPÄTER HAST DU DICH NOCHMAL BEIM SNOWBOARDEN VERLETZT. DU WARST IN EINEM LAWINENUNGLÜCK...

Dazu muss ich sagen, dass dieser Unfall indirekt eine Folge der ersten Knieverletzung war, die mich jahrelang verfolgt hatte. An jenem Tag des Lawinenunglücks war ich mit einem fehlenden Kreuzband unterwegs. Eine Wechte ist abgebrochen und ich bin 500 Meter über eine felsdurchsetzte Rinne abgestürzt. Es hat knapp zwei Jahre gedauert, danach wieder ganz fit zu werden.

DIE ERFAHRUNG DER VERLETZUNG HÄLT DICH NICHT VON DEN BERGEN UND DEN OZEANEN FERN. DU HAST DICH SOWOHL PSYCHISCH ALS AUCH KÖRPERLICH SO GUT DAVON ERHOLT, DASS DU DEINEN SPORTLICHEN LEIDENSCHAFTEN WEITERHIN NACHGEHEN KANNST...

Das erstaunt mich selber. Die Psyche scheint sich in solchen Unfall-Situationen zu schützen. Ich kann mich nämlich an den Sturz selber nicht mehr erinnern. Ich glaube, das ist ein Schutzmechanismus vom Körper, der ermöglicht, dass man nach einem derartigen Erlebnis weitermachen kann.

WIE ERKLÄRST DU DIR DEINEN ERFOLG IN GLEICH ZWEI VERSCHIEDENEN SPORTARTEN?

Ich denke, ich habe durch das Leistungsturnen, das ich bis fünfzehn betrieben habe, einen gewissen Grundstock an Körperbeherrschung aufgebaut, der es dann wesentlich einfacher gemacht hat, auch andere Sportarten zu erlernen. Dazu kam mein Ehrgeiz und der Mut neues zu probieren, alleine zu reisen, etc. Die Dichte der Frauen im Bereich Snowboarden und Windsurfen war natürlich auch noch nicht so hoch wie heute, da sich viele nicht zutrauten, sich auf unbekanntes Terrain zu begeben. Das hat sicher auch zur Möglichkeit beigetragen, mich an die Spitze vorzuarbeiten.

ULI HÖLZL | Exploristas

 

"Das Traurige inst, dass sich unsereins auch fragen muss, was wir mit unserem Lebensstil und den Reisen zum Klimawandel beitragen. Da müssen wir umdenken."

WAS SIND FÜR DICH DIE GRÖSSTEN UND LIEBSTEN ERFOLGE BEIM WINDSURFEN?

2019 habe ich den Vize-Europameister-Titel in Dänemark geholt. Das war ein schönes Erlebnis, weil die Teilnahme ursprünglich nicht geplant war und sehr kurzfristig entschieden wurde. Außerdem waren die Bedingungen einfach super. Ich bin auch stolz auf meine Top-5-Platzierungen in der Weltrangliste im Bewerb Wave in den Jahren 2005 bis 2007. Natürlich wollte ich noch weiter nach vorne, aber als Binnenländerin, die in der Zeit noch dazu auch studierte und außerdem nicht Vollprofi war, ist das ein schöner Erfolg.

Das Schönste am Windsurfen ist aber das Naturerlebnis. Das Wasser. Die Energie der Wellen zu spüren, mit allen Sinnen da zu sein - hören, fühlen, das Salzwasser schmecken… Und man kann viel mehr riskieren als beim Snowboarden oder Skifahren, ohne so schnell Gefahr zu laufen, sich schwer zu verletzten, weil man immer im Wasser landet. Ich gehe auch gerne Wellenreiten oder Schwimmen... bin einfach gerne im Wasser.

DIE WETTBEWERBE FÜHREN DICH UM DIE GANZE WELT. ERST KÜRZLICH BIST DU AUS AUSTRALIEN ZURÜCKGEKEHRT. WO HABEN DICH DIENE WEGE DENN SCHON ÜBERALL HINGEBRACHT? UND AN WELCHE REISE DENKST DU BESONDERS GERNE ZURÜCK?

In Australien war ich diesmal nur auf Urlaub. Aber ich war schon öfter in Australien und diese Reisen gehören definitiv zu meinen liebsten. Auch Mauritius mag ich sehr. Mauritius ist für die WindsurferInnen ein wenig wie der Arlberg für die WintersportlerInnen - der perfekte Spot, nur leider etwas überlaufen. Die Bedingungen sind richtig super und ich habe außerdem inzwischen einen großen Freundeskreis dort. Weiters war ich in Indonesien, Kapstadt, Maui… Aber am meisten hat mich eigentlich Madagaskar beeindruckt. Die Insel ist abgeschieden, hat eine unglaublich schöne Landschaft und so fröhliche Menschen. Leider sind die Folgen des Klimawandels sehr deutlich spürbar und sichtbar. Und auch die Korruption. Das Meer in Madagaskar ist leer gefischt, das Land wird teilweise an China und südafrikanische Staaten verkauft, Regenwald wird abgeholzt, Grundwasser ist knapp und vom Reichtum der Bodenschätze haben die Einheimischen gar nichts. Auch jetzt in Australien habe ich die Auswirkungen des Klimawandels sehr zu spüren bekommen - Hitzewellen im Oktober zum Beispiel. Und das Riff, das bei meinem letzten Besuch vor etwa zwanzig Jahren noch sehr lebendig und bunt war, ist nun tot. Das hat mich sehr schockiert. Ich habe die durch das Klima verursachte Veränderungen auf meinen Reisen in diese Länder wesentlich mehr und deutlicher bemerkt als bei uns. Bei uns fühlt sich der Klimawandel noch nicht so tragisch an, aber u.a. in Madagaskar geht es bereits um die Existenz der Menschen. Das Traurige ist, dass sich unsereins auch fragen muss, was wir mit unserem Lebensstil und den Reisen zum Klimawandel beitragen. Da müssen wir umdenken.

UND WIE PRÄGEN DICH DEINE REISEN AUF EINER PERSÖNLICHEN EBENE?

Dadurch, dass ich viel alleine gereist bin, habe ich gelernt, mich zu organisieren, mit Schwierigkeiten umzugehen und Probleme zu lösen. Oft gerät man auf Reisen ja in Situationen, die nicht bequem sind. In Chile zum Beispiel ist um vier in der Früh mitten im Nirgendwo mein Auto zusammengebrochen. Da muss man dann eine Lösung finden. Mir kommt vor, dadurch kann ich heute mit Stresssituationen als Ärztin etwas gelassener umgehen. Man lernt auch, gewisse Dinge - zum Beispiel wenn etwas kaputt geht - nicht zu tragisch zu nehmen. Ich würde sagen, ich werde generell weniger schnell aus der Bahn geworfen als früher.

BEI EXPLORISTAS GEHT ES UM DIE STÄRKEN DER FRAUEN UND INSBESONDERE UM WOMEN'S EMPOWERMENT IN SPORT. WARUM BRAUCHEN WIR DAS?

Viele Frauen und Mädchen trauen sich zu wenig zu und geben gewisse Aufgaben an die Männer ab. Dinge, die ich selbst in die Hand nehme. Immer wieder taucht in der Gesellschaft oder auch in mir der Gedanke auf, was denn nun der Norm entspricht. Aber für mich ist es eine Frage dessen, was uns antreibt. Einerseits nämlich einfach die Freude am Sport, an der Natur, an der Bewegung und der Abenteuergeist, aber andererseits gibt es vielleicht auch eine Seite in uns, die durch gewisse Leistungen um Liebe und Anerkennung ringt. Viele Frauen puschen sich dann über eine Grenze drüber und betreiben Sport auf eine Art, die nicht gesund ist. Diese Frauen wirken auf mich dann auch nicht mehr glücklich. Es ist ein schmaler Grat zwischen diesen beiden Seiten.

Im Unterschied zu den Frauen beobachte ich bei den Männern oft einen größeren Zusammenhalt. Sowohl im Sport als auch im Job. Wenn es darum geht, einander bei Aufstiegsmöglichkeiten zu helfen und sich gegenseitig zu unterstützen. Das scheint mir bei den Mädels und Frauen oft noch zu fehlen. Vielleicht sind es ja u.a. die Mädels-Camps, die diesen Aspekt fördern und dem Konkurrenzdenken entgegenwirken können. Die Gemeinsamkeit und der Spaß an der Sache sollten mehr in den Vordergrund gerückt werden.

Ich finde es in all-female Sportcamps besonders wichtig, die Frauen vor allem zur Selbständigkeit zu führen. Bei Skitourencamps sollte nicht nur einem Guide hinterhergefahren, sondern vor allem Augenmerk darauf gelegt werden, dass die Frauen selbständig eine Tourenplanung durchführen können. Dazu gehören Kartenlesen, Gelände lesen, Lawinenberichte verstehen, Tourenplanung, Navigation, etc.

SCHEINT DIR EINE ENTWICKLUNG DES BILDES DER WEIBLICHEN SPORTLERIN NÖTIG?

Absolut, ja. Erstens darf man eine Frau schlicht von Kraft und Hebel her nicht mit einem Mann vergleichen und zweitens wird eine sportliche Frau immer noch häufig als „nicht feminin“ angesehen. Da braucht es Veränderung. Und auch die Anerkennung im Wettkampfbereich muss noch deutlich wachsen.

KANNST DU PERSÖNLICH WOMEN'S EMPOWERMENT BRAUCHEN?

Hier am Arlberg, wo ich derzeit arbeite und auf den Pisten unterwegs bin, könnte ich durchaus Gesellschaft brauchen. Es gibt zwar ein paar Freundinnen, die gelegentlich zu Besuch kommen, aber eine sportliche Gemeinschaft wäre schön. Beim Windsurfen ebenso. Man trifft sich schon immer wieder an den internationalen Spots zum Windsurfen, aber eine Gemeinschaft hier in Österreich fehlt eigentlich. Oft dadurch bedingt, dass Frauen ab einem gewissen Alter meist Kinder haben und sich der Fokus in ihren Leben stark verändert. Es ist einfach immer noch eine große Herausforderung, den Beruf, das Mutter- und Hausfrauendasein und den Sport unter einen Hut zu bringen.

WAS MÖCHTEST DU SELBST ALS VORBILD KOMMENDEN EXPLORISTAS MITGEBEN?

Ich möchte Mut machen, selber Dinge zu entdecken, zum Beispiel auf Reisen oder beim Sport. Ich möchte Mut machen, Dinge einfach auszuprobieren ohne Leistungsdruck. Es geht um die Freude an der Bewegung und in der Natur, nicht darum, alles mit Bestleistung zu absolvieren. Man sollte sich außerdem auf keinen Fall davon abhalten lassen, etwas zu tun, weil man besorgt ist, was Andere möglicherweise über einen denken. Und man muss akzeptieren, dass alles ein Prozess ist, eine Lernphase. Jede und jeder fängt klein an.

Sowohl beim Skifahren, Snowboarden oder Windsurfen ist es oft immer noch so, dass man als Frau in einer Männergruppe nicht immer gerne mitgenommen wird. Oft aus einem Vorurteil heraus, man könne nicht mithalten. Und so steht man dann immer wieder alleine da und ist auf sich selbst gestellt. Das ist im Ärzteberuf nicht anders. Auch da beobachte ich den Zusammenhalt unter den Männer und das Konkurrenzverhalten unter den Frauen. Die Männer decken und helfen sich viel mehr.  55-60% der Medizinstudierenden sind Frauen. Und die sind in meinen Augen durchschnittlich sogar etwas besser, weil sie eine gewisse soziale Kompetenz mitbringen, aber in den Chefposten und den Primariaten sind unverhältnismäßig weniger Frauen als Männer. Und ich glaube nicht, dass das ausschließlich am Kinderkriegen liegt. Das hängt mit mehreren Komponenten zusammen - u.a. eben damit, dass Männer gut zusammenhalten. Das ist also etwas, das wir Frauen noch lernen sollten. Und: Ich fände es schön, wenn wir diesen Prozess der Stärkung und des Zusammenhalts alle gemeinsam machen könnten - Frauen und Männer.

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