NINA GIGELE

(INTERVIEW + FOTOS VON: JULIA KOCH)

Nina ist in Fließ in Tirol geboren und heute nach vielen Jahren des Unterwegsseins wieder dort zuhause. Sie hat bereits vierzig Länder dieser Welt bereist und in Kanada, Neuseeland und Schweden gelebt. Auf eine Skirennkarriere als Jugendliche und junge Erwachsene folgten die Ausbildung zur staatlich geprüften Skilehrerin, Skiführerin und Skiguide, sowie ein Studium auf einer digitalen business school in Stockholm. Als Businesswoman coacht Nina Firmen im Bereich social media und Digitalisierung, hält Vorträge und organisiert Veranstaltungen. Als Skiguide führt sie  Gruppen nicht nur durch die verschneiten Berge Österreichs, sondern auch in den Hohen Norden Norwegens zum Segeln und Tourengehen. Außerdem arbeitet Nina als Model - vor allem in den Bereichen Sport und Werbung. So verbindet die Tirolerin Skifahren und Business und berichtet auf einem Blog von ihren aufregenden Erfahrungen.

NINA GIGELE | Exploristas

 

"Natürlich ist es nicht einfach, die vollkommene Gleichstellungvon heute auf morgen perfekt umzusetzen, aber man muss die Richtung vorgeben und sich Schritt für Schritt darauf zubewegen."

WIE HAT DEINE SKIKARRIERE BEGONNEN?

Schon mein Opa war sehr erfolgreicher Skitrainer und die Mama war Rennläuferin im Weltcup. Mein Papa war im Europacup und hatte eine Sportmanagementagentur. So sind meine Geschwister und ich sehr sportlich aufgewachsen. Ich bin mit fünf oder sechs Jahren erste Kinderrennen gefahren. Ich bin ins Skigymnasium gegangen und in der Zeit habe ich auch erfolgreich an internationalen Rennen teilgenommen.

DU MUSSTEST NACH EINER VERLETZUNG DEINE SKIRENNKARRIERE ALLERDINGS SEHR FRÜH BEENDEN. ICH NEHME AN, DAS WAR EINE GROSSE VERÄNDERUNG IN DEINEM LEBEN. WIE BIS DU DAMIT UMGEGANGEN?

Ich war erst sechzehn, als ich mich schwer verletzt habe und daraufhin ein Jahr lang nicht gehen konnte. Ich hätte fast meinen Fuß verloren und es hat fünf Operationen und viel Durchhaltevermögen gebraucht, um wieder fit zu werden. Durch die Verletzung habe ich international den Anschluss verloren. Das war natürlich nicht einfach. Andererseits habe ich in dieser Zeit sehr viel gelernt. Ich habe mich sehr viel mit mir selbst beschäftigt und herausgefunden, um was es mir im Leben eigentlich geht. Ich habe gelernt, mit Herausforderungen umzugehen und Probleme lösungsorientiert anzugehen. Außerdem hatte ich bis dahin nur eine Karriere als Skirennläuferin im Auge, aber dadurch, dass ich mein Blickfeld erweitern musste, habe ich Neues entdeckt.

WELCHES WAREN DIR DIE WICHTIGSTEN ERFOLGE DER DAMILIGEN ZEIT?

Nach meiner Verletzung und einer Zeit, in der lange nicht klar war, ob ich je wieder Sport machen könne, musste ich für die Matura im Skigymnasium nochmal Rennen fahren. Also habe ich mir zum Ziel gesetzt, schlussendlich besser Skifahren zu können als vor der Verletzung. Das war eine große Herausforderung. Ich hatte meinen starken linken Fuß verletzt. Das hieß, dass ich alles umlernen musste und lange in der Schule überall die Langsamste war. Dazu kam, dass mir oft Skepsis entgegengebracht wurde, was mein Handicap anbelangte. Immer wieder wurde vermutet, ich würde nur jammern oder etwas vorspielen. Ich war mit Krücken unterwegs und dadurch oft außen vor. Der Wiedereinstieg hat also nicht nur körperlich Kraft gekostet, sondern auch mental. Aber schlussendlich habe ich durch viel harte Arbeit mein Ziel erreicht und konnte ein internationales CIT FIS Rennen gewinnen und meine Matura zeitgerecht absolvieren.

WELCHE STÄRKEN HAST DU DURCH DAS ERLEBEN DIESER SCHWIERIGEN ZEIT ENTWICKELT?

Motivation, Integrität und eine positive Einstellung zum Leben. Ich weiß, was es heißt, wenn nicht alles so läuft, wie man es sich wünscht. Schließlich lernt man dadurch, entwickelt sich und wächst. Das ist die Lehre, die ich aus meiner schwierigen Phase gezogen habe. Ich habe nicht aufgegeben und bin meinen Weg motiviert weitergegangen. Auch wenn ich gelegentlich mal einen Schritt zurück machen musste, bin ich insgesamt doch immer nach vorne gestrebt.

HAT SICH DIE NEUGESTALTUNG DEINES BERUFLICHEN LEBENS INTUITIV ERGEBEN ODER BIST DU MIT EINER KLAREN ZIELSETZUNG UN EINEM STRUKTURIERTEN PLAN AN DEN AUFBAU DEINER ZWEITEN KARRIERE HERANGEGANGEN?

Ich bin ein sehr intuitiver Mensch. Ich versuche immer wieder, besser zu planen, aber meine Stärke liegt definitiv mehr in der Intuition. Nachdem ich mein Ziel erreicht hatte, stärker auf die Skipiste zurückzukehren als vor der Verletzung, hat es sich durch das Skifahren ergeben, dass ich Modeljobs angeboten bekommen habe. Ich habe zu der Zeit Sport- und Eventmanagement in Salzburg studiert und war parallel im Bundessportzentrum Kitzsteinhorn, wo ich quasi auf’s Neue Skifahren gelernt habe. Nebenbei habe ich durch das Modeln unglaublich tolle Erfahrungen gemacht. Ich durfte reisen, traf ständig neue Leute und bin regelmäßig in ein neues Abenteuer aufgebrochen. Ich habe begonnen, meine Fotos in den Sozialen Medien zu posten und das ist dann dorthin gewachsen, wo ich heute als Content Creator stehe. Ich habe außerdem die Ausbildung im Digital Creative Business gemacht und bin dadurch in Stockholm gelandet.

GIBT ES EINE REISE, VON DER DU AM LIEBSTEN ERZÄHLST?

Meine allererste große Reise, die ich selbst angetreten bin, kam zufällig in mein Leben - durch ein Facebook-Gewinnspiel. Ich habe eine Reise nach Japan gewonnen. Das war eine unglaublich aufregende und schöne Erfahrung. Dadurch habe ich richtig Lust auf’s Reisen bekommen. Ich habe zwei Jahre in Schweden gewohnt und inzwischen insgesamt vierzig Länder bereist. Mein Herz gehört Neuseeland und in Europa zieht es mich deutlich nach Skandinavien.

"Ich weiß, was es heißt, wenn nicht alles so läuft, wie man es sich wünscht. So ist das Leben: es geht immer auf uns ab, es gibt immer Herausforderungen zu meistern. Und das ist auch gut so."

NINA GIGELE | Exploristas

WELCHE UNTERSTÜTZUNG ODER WELCHE VORBILDER HATTEST DU AUF DEINEM BERUFLICHEN WEG?

Mein Papa war immer eine Art Mentor für mich und ist es immer noch. Aber im Bereich des Modelns bin ich die Erste in meiner Familie und meinem Umfeld, habe mich also alleine zurechtfinden müssen. Ich habe beim Tun gelernt und bin dadurch gewachsen. So ist das eigentlich bei allem, was ich mache.

WAS MÖCHTEST DU HEUTE SELBST ALS VORBILD ANDEREN SPORTLERINNEN UND BUSINESS-FRAUEN WEITERGEBEN?

Ich arbeite u.a. mit meinem Vater gemeinsam im Skibekleidungssektor. Diese Branche ist sehr männlich besetzt und gelegentlich bekomme ich zu spüren, dass ich als weibliche Geschäftspartnerin nicht gleich viel Gewicht habe. Ich kann mich in solchen Situationen schon durchsetzen, aber ich wünsche mir diesbezüglich Entwicklung Richtung Gleichberechtigung und Respekt. Als Feministin setzte ich mich nicht dafür ein, dass Frauen besser sind und mehr Rechte haben sollten als Männer, sondern eben für deren Gleichstellung. Spannend wird es dann, wenn wir zusammenarbeiten und gemeinsam Cooles erreichen können. Schweden ist ein gutes Vorbild in diesen Belangen. Natürlich ist es nicht einfach, die vollkommene Gleichstellung von heute auf morgen perfekt umzusetzen.

WELCHES IST DER ERSTE UND WICHTIGSTE SCHRITT, UM EIN ZIEL ZU ERREICHEN?

Ich bin ein sehr visueller Mensch und mir hilft es, das Ziel klar vor Augen zu haben. Das verleiht mir mentale Stärke. Sehr wichtig ist es außerdem, dranzubleiben. Nicht aufzugeben. Vielleicht ist es eine gewisse Form der Sturheit, die sich im Durchhalten ausdrückt.

WELCHE ERFOLGE IN DEINEM LEBEN HAST DU BESONDER GEFEIERT?

Mein Skiführer-Zertifikat. Skiführerin zu sein bedeutete nämlich, dass ich unabhängig bin - meine eigene Skischule sozusagen. Ich arbeite zwar gerne in Gruppen, aber meine eigene Chefin zu sein, das hat schon was. Außerdem war es ein besonderes Erfolgsgefühl, nach all den Niederlagen, die ich in der Zeit nach der Verletzung durchlebt hatte, die höchste Stufe der Skiausbildung zu erreichen. Bei der Feier zu diesem Anlass haben wir uns alle wie die Götter und Göttinnen gefühlt. (lacht)

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"Außerdem war es ein besonderes Erfolgsgefühl, nach all den Niederlagen, die ich in der Zeit nach der Verletzung durchlebt hatte, in der ich immer und überall die Letzte war, die höchste Stufe des Skiausbildung zu erreichen."

DU BIETEST ALS GUDIE U.A. AUCH EINE ALL-FEMALE TOUR IN NORWEGEN AN, DIE SEGELN UND TOURENGEHEN VEREINT. WAS IST FÜR DICH DAS SCHÖNSTE UND AUFREGENDSTE DARAN?

Eine Freundin von mir ist Skipper, und ihr Boot liegt in Norwegen, so fiel die Wahl auf dieses Land. Dort ist noch alles viel unberührter als bei uns. Alles ist weit und ruhig, und das spiegelt sich auch in den BewohnerInnen wieder. Ein tolles Land. Ich wohne hier in Tirol an der Grenze zu Italien und schätze es sehr, dass ich jederzeit italienische Pasta essen und einen echten Cappuccino trinken kann. Ich habe also auch eine Verbindung zu Italien. Aber das Abschalten und der totale Rückzug aus den erschlossenen Gebieten, das ist bei uns oder in Italien kaum möglich. In Norwegen sind die unberührten Gegenden noch weitläufig und man ist auf sich alleine gestellt. Man ist wirklich in der Natur unterwegs und lernt, mit dieser zu leben. Ganz ohne Ziel. Es geht dann nicht darum, wie viel Höhenmeter man geht, sondern darum, die Zeit zu genießen. Ich schätze die Freiheit, einfach in den Tag leben zu können und zu schauen, was er bringt. Absolut stressfrei und mit coolen Leuten gemeinsam in einer so wunderbaren Landschaft unterwegs zu sein, ist etwas Wunderbares. Da wir unseren Trip aufgrund der aktuellen Situation (Anm.: Corona-Pandemie 2020) nicht durchführen konnten, verschieben wir das Abenteuer auf 2021. Bin gespannt, wie unser Team aussehen wird.

UND WAS IST DAS BESONDERE DARAN, ZUR ABWECHSLUNG NUR MIT FRAUEN UNTERWEGS ZU SEIN?

Ich habe sowohl im Skisport als auch beim Modeln erlebt, dass Kolleginnen auf mich herabgeschaut oder mich belächelt haben. Ich tue mir nicht so leicht damit, in Communities integriert zu werden. Vielleicht ist das so, weil ich eine Querdenkerin bin und mir kein Blatt vor den Mund nehme. Umso schöner ist es, Mädels und Frauen gefunden zu haben, die Interesse haben, gemeinsam unterwegs zu sein. Entstanden ist die Idee der all-female Tour in Norwegen aus der Nachfrage. Ich habe mitbekommen, dass sich Frauen in vorwiegend männlichen Gruppen immer wieder gestresst fühlen. Sie wollen einfach eine gute Zeit haben, ohne die Schwierigkeiten, die in einer gemischten Gruppe potentiell entstehen können. Passt, hab ich mir gedacht, machen wir! (lacht)

WAS BEDEUTET WOMENS'S EMPOWERMENT FÜR DICH?

Ich bin eine Person, die gerne andere puscht. Ich habe immer wieder das Feedback bekommen, dass ich innerhalb einer Gruppe viel positive und motivierende Energie verbreitet habe - ich denke, das ist etwas, was mir liegt und eine Form, wie ich andere unterstützen kann.

WAS MÖCHTEST DU ANDEREN EXPLORISTAS MIT AUF DEN WEG GEBEN?

Dass es wichtig ist, um Rat zu fragen. Wir sollten uns nicht immer alleine durch Dinge durchkämpfen, die uns schwer fallen oder die uns unsicher werden lassen. Nicht scheu sein! Einfach fragen! Die meisten Menschen freuen sich ja, wenn sie helfen und unterstützen können. Eine Frage zu stellen, bedeutet nicht, schwach zu sein, sondern sich weiterzuentwickeln.

WOHIN MÖCHTEST DU NOCH WACHSEN? WELCHE ZIELE LIEGEN DERZEIT VOR DIR?

Ich freue mich, Teil der Welle zu sein, die Mädels zusammenbringt und für Frauen etwas in Gang setzt - sowohl im Sport als auch in anderen Lebensbereichen. Und ich hoffe, dass diese Bewegung noch weiter wächst und sich genügend Frauen finden, die Interesse daran haben, gemeinsam aktiv zu sein.

HAST DU EIN LEBENSMOTTO, DASS DICH BEGLEITET?

Ich bemühe mich immer darum, das Leben möglichst positiv zu sehen, also durch einen Sunny Side of Life-mindset. Ich nehme die Dinge, wie sie sind und versuche, das Beste draus zu machen. Man könnte also auch sagen: Der Weg ist das Ziel.